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Eigentlich hatte dieses über 55 Jahre alte Buch beim Lesen einen leicht angestaubten Eindruck auf mich gemacht. Doch die vergangenen Tage haben leider gezeigt, wie aktuell und relevant John Howard Griffins Anklage gegen den amerikanischen Rassismus ist.

Black like me beschreibt ein – ja, doch – etwas skurril anmutendes Experiment, das der Journalist John Howard Griffin 1959 unternahm. Er nahm Medikamente ein, die seine Haut dunkel färbten, und stürzte sich als frisch gebackener „Negro“ mitten hinein in den Alltag der Rassentrennung und heftigen Diskriminierung in den amerikanischen Südstaaten. In einer Art Tagebuch schildert er, wie er die täglichen Erniedrigungen und  die Perspektivlosigkeit eines Schwarzen sowie die bornierten Vorurteile der Weißen erlebt.

Als deutscher Leser denkt man da natürlich gleich an Günter Wallraff, der ebenfalls schon in allerlei Rollen von Unterdrückten und Benachteiligten geschlüpft ist – unter anderem in die eines Afrikaners in der deutschen Provinz. Doch sowohl wenn Wallraff sich braun anpinseln lässt – um am Ende doch nur wie einer der Heiligen Drei Könige auszusehen – als auch wenn Griffin Tabletten mit weiß Gott für Nebenwirkungen schluckt, um „schwarz“ zu werden, kann ich mich eines faden Beigeschmacks nicht erwehren. Diese Maskerade, dieses „Verkleiden als Neger“ – trägt das nicht selbst schon einen Funken Rassismus in sich? Jedenfalls markiert  es deutlich, was die dominante Perspektive (die der Weißen) und was „das andere“ ist, das man sich vermeintlich nur über karnevaleskes Rollenspiel aneignen kann.

Eine Rechtfertigung findet die Verkleidung im investigativen Ansatz Wallraffs. Ihm geht es um die Enthüllung, um einen unverstellten Blick auf Realitäten aus sozialen Wirklichkeiten, die nicht seine eigenen sind. Indem er seine Erlebnisse dokumentiert – in der Regel mit der Kamera – demaskiert er öffentlich die Rassisten. Undercover enttarnt er fremdenfeindliches Verhalten, das die Gesellschaft sonst leugnen würde, liefert den Kamerabeweis für etwas, das sonst hinter der Fassade geheuchelter Toleranz verborgen bliebe.

Bei Griffin verhält es sich etwas anders. Der Rassismus, den er erlebt, tritt unverhohlen auf und ist für jedermann sichtbar: strikt getrennte Lebenswelten, getrennte Lokale, getrennte Plätze im Bus. Subtiler Alltagschauvinismus, dem man erst durch einen Trick die Maske vom Gesicht reißen müsste, wird im Buch kaum geschildert. Ein Aha-Erlebnis ist es höchstens, als Griffin per Anhalter durchs Land reist und dabei von den weißen Fahrern ganz scham- und respektlos die immer gleichen Anzüglichkeiten zu hören bekommt, die auf Klischees von der sexuellen Potenz Schwarzer abzielen. Diese Sätze hätte  Griffin als Weißer wohl tatsächlich nie zu hören bekommen.

Davon abgesehen scheint mir Griffins Karneval geringen Erkenntnisgewinn zu liefern. Aus heutiger Perspektive wirken manche Passagen geradezu altbacken – inbesondere wenn Griffin, immerhin ehrlich, seine eigenen Berührungsängste mit der Welt der Schwarzen offenbart.

Lesbar ist das (auch etwas spröde geschriebene) Buch heute wohl vor allem als Dokument seiner Zeit. Traurig zu sehen, dass ein Weißer die Rassendiskriminierung als am eigenen Leib erfahren schildern musste, um gehört zu werden. Jeder Schwarze hätte authentischer davon berichten können. Doch erst Griffins extravagantes Experiment lenkte die gebührende Aufmerksamkeit auf das Thema. Im 15 Jahre später geschriebenen Nachwort – dem lesenswertesten Teil des Buchs – geht Griffin auch selbst darauf ein, dass eigentlich die Schwarzen für sich selbst sprechen sollten, und er es leid war, dass ihn manche Menschen als geeigneteren Ansprechpartner für Rassismusbelange betrachteten – eine andere Form der Diskriminierung.

Das Nachwort macht indes auch klar, welches Wagnis Griffin damals einging, welch unerhörte Grenzüberschreitung er begangen hatte. Weiße werteten seinen Perspektivwechsel als Verrat, Griffin erhielt Morddrohungen, musste mit seiner Familie im Verborgenen leben. Insofern gebührt ihm alle Bewunderung für seinen Mut, mit dem er unter enormem persönlichen Einsatz für eine unzweifelhaft wichtige und richtige Sache eintrat.

Und dann rücken natürlich auch die Ereignisse der vergangenen Wochen und Tage das alte Buch in ein neues Licht. Angesichts von staatlichem Rassismus bei Polizei und Justiz (was es auch außerhalb der USA geben soll) wirkt das Buch leider gar nicht mehr so gestrig. Und Menschen wie Griffin, die über den Tellerrand hinaus schauen und für Gerechtigkeit eintreten, werden wichtiger denn je.

Ein Kommentar zu “John Howard Griffin, Black Like Me

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